
Joh 2, 13-22
An diesem Sonntag begehen wir den Weihetag der Laternanbasilika. Die Kirche San Giovanni in Laterano ist die erste große Basilika der Christen im römischen Reich, die älteste Papstkirche. Im Jahr 324 n. Chr. wurde sie geweiht zu Ehren des allerheiligsten Erlösers. Sie war der Sitz der Päpste vom 4. bis zum 14. Jahrhundert. Sie trägt bis heute den Titel: „Mutter und Haupt aller Kirchen des Erdkreises.“ Sie erinnert uns an die Zeit nach der großen Christenverfolgung, wo die Christen sich wegen ihres Glaubens nicht mehr zu verstecken brauchten, sondern offen ihren Glauben in der Öffentlichkeit bekennen konnten. Das Weihefest dieser Kirche, das in der ganzen Welt gefeiert wird, lädt uns ein, über den Begriff „Kirche“ nachzudenken.
Sicher ist mit Kirche das Gebäude gemeint, in dem wir uns versammeln, um Gottesdienst zu feiern. Es ist ein Raum, in dem wir Gott auf besondere Weise begegnen können. Es ist wichtig und wertvoll, dass es dieses Gebäude aus Stein gibt. Innerhalb seiner Mauern finden wir Ruhe. Hier können wir innerlich aufatmen und im Gebet neue Kraft schöpfen. In seinen Mauern haben wir die Möglichkeit, eine gesunde Distanz zu bekommen zu den alltäglichen Sorgen und Mühen, da wir immer wieder in Gefahr sind, uns in Äußerlichkeiten und Oberflächlichkeiten zu verlieren.
Ich denke jedoch, dass die Mauern unserer Kirchen etwas durchlässiger werden müssen, sowohl nach außen wie nach innen hin.
Die Mauern unserer Kirchen müssen nach außen hin durchlässiger werden. Unsere Kirchen dürfen nicht zu Festungen werden, in die hinein wir uns flüchten, um dem Alltag mit seinen Problemen zu entkommen. Unsere Gottesdienste dürfen somit auch keine Versammlungen sein, wo die Realität des Lebens in Vergessenheit gerät. Unsere Kirchen sowie die Gottesdienste, die wir in ihnen feiern, sollen uns öffnen und befähigen, die zahlreichen Herausforderungen des Alltags anzunehmen und ihnen gerecht zu werden. Die Öffnung nach außen kann uns jedoch nur dann gelingen, wenn die Mauern unserer Kirchen auch nach innen hin durchlässig sind. In diesem Zusammenhang dürfen wir uns fragen: Was gibt unseren Kirchen inneren Bestand? Was hält sie innerlich zusammen? Im Brief des Apostels Paulus an die Epheser lesen wir: „Der Schlussstein ist Christus Jesus selbst. Durch ihn wird der ganze Bau zusammengehalten und wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn. Durch ihn werdet auch ihr im Geist zu einer Wohnung Gottes erbaut.“ (Eph 2, 20-22) Hier wird deutlich, dass es bei dem Begriff Kirche vor allem auch um die Gemeinschaft der Gläubigen geht, also um ein Haus aus lebendigen Steinen. Jeder von uns ist eingeladen, sich als lebendiger Stein in das Haus Gottes, in die Kirche einfügen zu lassen. In einem Kirchenlied von Waltraud Osterlad heißt es: „Gott baut ein Haus, das lebt, aus vielen bunten Steinen, aus großen und aus kleinen, eins, das lebendig ist.“ Wir selbst, als einzelne Christen wie auch als Gemeinde, wir sind der Raum, in dem Menschen Gott begegnen sollen. Unser konkretes Leben ist der Ort, wo Menschen erfahren dürfen, dass die Frohbotschaft nicht toter Buchstabe ist, sondern gelebte Wirklichkeit. Durch unseren Einsatz für das Leben, durch unsere verzeihenden Worte, durch unsere heilsamen Gesten, durch unsere offenen Augen und Ohren, durch unseren Sinn für Gerechtigkeit, durch unsere Herzlichkeit können Menschen den lebendigen Gott erfahren.
Unsere Kirchen aus Stein sind die Orte, wo wir in Wort und Sakrament die Kraft empfangen, dieser unserer Berufung immer neu gerecht zu werden.
In allen Religionen gibt es besondere Orte der Gottesbegegnung, die den Menschen wichtig und heilig sind. Unsere Kirchen sind sicherlich auch Zeugnisse unserer vom Christentum geprägten Kultur. Sie sind jedoch weit mehr: Räume, in denen das Leben Gottes spürbar wird. Doch bleiben unsere Gotteshäuser aus Stein immer nur vorläufige Zeichen. In der Welt Gottes braucht es keinen Tempel. So wird es uns im letzten Buch des Neuen Testamentes überliefert (vgl. Offb 21, 22). Denn dort wird Gott alles in allem sein. Dort, im himmlischen Jerusalem, wird die Kirche aus lebendigen Steinen zur Vollendung geführt.