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Channel: Service Kommunikatioun a Press - Bistum Lëtzebuerg
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Der Gott der Liebe

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Mk 9,2-10

Ein Gott, der von Abraham den Opfertod seines Sohnes fordert, um ihn in seinem Glauben zu prüfen, und der dann doch in buchstäblich allerletzter Sekunde diese Opferung verhindert, ein solcher Gott eckt an. Unzählige haben versucht, diese Szene unter der Voraussetzung der grundsätzlichen Güte Gottes zu deuten.

Wie kann ein Gott, der gut sein will, so etwas Schreckliches von einem Menschen fordern – selbst wenn er die Durchführung nie wirklich im Sinn hatte? Wie kann Gott mit den Gefühlen eines Vaters so spielen? Nicht umsonst gibt es vor der Erzählung der „Opferung Isaaks“ große Vorbehalte, und selbst eine versuchte Deutung, dass es sich hier in der biblischen Sprache um den humanen Durchbruch handelt, mit dem die religiösen Menschenopfer, wie es sie in antiken Kulturen gab, abgeschafft und abgewandelt wurden, kann nur zu einem gewissen Teil überzeugen. Das Faktum des ausdrücklichen Auftrages Gottes an Abraham, seinen eigenen Sohn als Brandopfer darzubringen, kann irgendwie nicht verleugnet werden – und das Bild eines im Letzten vielleicht doch grausamen Gottes hat sich in vielen Köpfen festgesetzt.

Doch viel grausamer noch als der Auftrag an Abraham, den er ja dann doch nicht durchführen soll, erscheint das, was Gott in seinem Sohn Jesus Christus vorhat. Ja, seinen eigenen Sohn opfert Gott selbst am Kreuz für uns Menschen hin. Hier ist es nicht mehr eine Glaubens- und Vertrauensprüfung, die er an einen Menschen stellt, sondern hier zieht Gott dieses Opfer seines Sohnes sogar selbst und wirklich durch. Man darf sich die Worte, die Paulus im Römerbrief schreibt, einmal sehr langsam vorsagen: „Gott hat seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben.“ Die Grausamkeit des Isaak-Opfers scheint hier um ein Vielfaches überstiegen zu sein. Aber ist dieser Gott, den Jesus als „die Liebe“ selbst verkündete, in Wirklichkeit doch nur ein grausamer Gott, ein Götze, der nicht davor zurückschreckt, einen barbarischen Akt zu fordern? Widerspricht sich Gottes Liebe und Güte nicht hier in sich selbst?

Es ist wohl hier das größte Paradoxon, das die Menschheitsgeschichte je erlebt hat und erleben kann: Gott, der die Menschen so sehr liebt; Gott, der die unendliche Liebe ist; Gott, der diese seine Liebe ausfließen lassen will über alle Menschen – dieser Gott gibt seinen eigenen Sohn, sich selbst, für alle Menschen hin, lässt Jesus am Kreuz für uns Menschen sterben. Eigentlich unvorstellbar! Und doch erste und ernste Wahrheit! Das ist das Zeugnis der allumfassenden, höchsten, unendlichen Liebe Gottes zu uns. Paulus kann in seinem Römerbrief in der Tat dann fortfahren und sagen: „Wie sollte Gott uns mit ihm nicht alles schenken?“

Die Fastenzeit führt uns zu diesem Höhepunkt unseres Glaubens hin: zum Tod Jesu Christi am Kreuz an Karfreitag – und wir kennen den Ausgang: die Auferstehung, das Überwinden des Todes durch den Tod Jesu, wie es bereits im Licht der Verklärungsszene im Evangelium des zweiten Fastensonntages vorweggenommen wird. Gott ist diesen Weg für uns Menschen gegangen, aus Liebe zu uns. Begreifen können wir diese Hingabe Gottes wohl nie. Aber wir dürfen Gott dafür danken, indem wir auf „den geliebten Sohn hören“ (Mk 9,7), indem wir uns an diesem geliebten Sohn neu ausrichten, indem wir Buße tun, in uns gehen, unser Leben umkrempeln, zu Gott hinkehren, umkehren – indem wir uns in dieses Geheimnis der unendlichen Liebe Gottes zu uns aufnehmen lassen und uns das neue Leben in Christus aneignen.


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