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Channel: Service Kommunikatioun a Press - Bistum Lëtzebuerg
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Erfahrungen mit Gott markieren Wendepunkte im Leben

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Joh 24,35-48

Heikle Themen beschäftigen uns an den ersten Sonntagen der österlichen Festzeit. Auch die Quellenlage wirkt heikel. Die Texte der Evangelien wurden mehr als 40 Jahre nach dem ersten Osterfest, also erst nach 70 n. Chr., aufgeschrieben. Grund genug diese Texte zunächst einmal als Protokolle mündlich überlieferter Erzählungen einzuschätzen und dementsprechend zu bewerten. Alles in allem also Texte, die bereits aus einem gelebten Glauben heraus motiviert und redigiert sind. Was zunächst als Nachteil erscheint, ist bei näherer Betrachtung die Chance, Sinn und Inhalt der Texte richtig zu deuten. Wer sich von Anfang an bewusst ist, dass es sich hier nicht um historische Berichte handelt, legt einen anderen Maßstab an.

Der Verstehenshorizont ist der Glaube selbst. Wenn Texte, wie diese Erzählung aus dem Lukasevangelium (Lk 24,35-48), die von einer Begegnung mit dem auferstandenen Jesus erzählen, schwer nachzuvollziehen sind, ist es hilfreich, nach vorangegangenen markanten Ereignissen in der Überlieferung zu suchen. Ein gravierender Knack- und Wendepunkt im Leben der Jünger ist der skandalöse Kreuzestod Jesu. Die Freunde sind zutiefst erschüttert. Todesangst erfasst sie. Manche flüchten aus Jerusalem und kehren erst zurück, nachdem sie wiederum etwas schier Unglaubliches erlebt haben, was ihrem Leben die entscheidende Wende gibt. Die kleine Ortschaft Emmaus, eine Tagesreise von Jerusalem entfernt, wird zwei verängstigten Jüngern zur Rast- und Ruhestätte. Dort erkennen sie in dem Unbekannten, der sie ein Stück des Weges begleitet hat, Jesus selbst. Diese Erfahrung lässt sie dann auch nicht mehr an der Auferstehungsbotschaft zweifeln. Zurückgekehrt nach Jerusalem hören sie die Erlebnisberichte der anderen. Auch ihnen ist der Auferstandene erschienen, sie konnten ihn berühren und haben mit ihm gegessen (Lk 24, 41 f). Auf uns heute wirken solche Details befremdend. Bestenfalls können wir den Autoren der Evangelien zugestehen, dass sie wahrheitsgetreu aufgeschrieben haben, was andere ihnen berichtet haben. Uns bleibt nichts anderes übrig, als uns im übertragenen Sinn selbst auf den Weg nach Emmaus zu machen.

Wer selbst eine Erfahrung mit Gott machen will, hat nur die Möglichkeit, sich für den Weg des Glaubens zu öffnen. Dann wird die Bedeutung der Texte auf einmal ganz konkret greifbar. Der Weg nach Emmaus ist der Weg des Glaubens und damit vielleicht der Weg eines jeden von uns. Die Aufgabe der zukünftigen „nouvelles paroisses“ könnte sein, dass sie, wie damals Emmaus, zu Raststätten am Lebensweg der Menschen werden. Orte, wo Begegnung und Erfahrungen mit dem lebendigen Gott ihren Ausgangspunkt nehmen können. Wichtig ist, dass die Infrastruktur stimmt. Es müssen Raststätten sein mit persönlicher Bewirtung, Anlaufstellen für Neugierige und Durchreisende. Orte, an denen ein gedeckter Tisch wartet mit einem ausgewählten Menü, mit „Tafelmusik“ und „Tisch-Kumpanen“, die das Brot miteinander teilen, Treffpunkte und Orte der Stille, Festsaal und Rückzugsort. Geschultes Personal sollte zur Verfügung stehen, das, mit einer soliden Ausbildung, mit Menschenfreundlichkeit und Empathie ausgestattet, Menschen empfängt, die auf der Suche nach dem Ursprung des Glaubens sind. So könnten für uns heute neue Orte entstehen, an denen es wie damals möglich wird, Gott neben sich auf dem Lebensweg zu entdecken.


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