
Die Regierung eines Landes kann mit Religionsgemeinschaften sehr unterschiedlich umgehen, aber sie kann sich dem Umgang nicht gänzlich entziehen. Im Laufe der jüngeren Geschichte haben Regierungen und Religionsgemeinschaften dieses Landes in relativ kurzen Zeitabständen ihr jeweiliges Nähe- und Distanzbedürfnis sehr verschieden definiert.
Von staatskirchlichen Verhältnissen kann man zwar nicht sprechen, aber bis in die jüngste Vergangenheit hinein erfreuten sich einige Religionsgemeinschaften in diesem Land einer durch die Verfassung und entsprechenden Verträge abgesicherten großzügigen Unterstützung. Unter dem Eindruck, dass die gesellschaftliche Akzeptanz für diese Art von Beziehungspflege gesunken war, wurden unlängst offen und kontrovers unterschiedliche Modelle der Neugestaltung der Beziehungen von Staat und Religionsgemeinschaften diskutiert. Unter anderem wurde auch die Forderung nach einer strikten Trennung von Staat und Kirche erhoben, die erkennbar religionsfeindliche Züge trug.
Die neuen Verträge zwischen Staat und Religionsgemeinschaften tragen den veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und der Diskussion in mancherlei Weise Rechnung. So werden die Muslime in die staatliche Förderung von nun an durch einen eigenen Staatsvertrag einbezogen. Demgegenüber musste die römisch-katholische Kirche schmerzhafte Einschnitte im Bereich der Finanzierung von Personal und Kirchenfabriken aber auch den Verzicht auf den Religionsunterricht in den staatlichen Schulen hinnehmen. Der Staat erkennt in einem gegenüber früheren Zeiten deutlich begrenzteren Umfang eine finanzielle Unterstützung der Religionsgemeinschaften an und akzeptiert damit das Wirken der Religionsgemeinschaften in der Öffentlichkeit. Durch dieses Handeln bringt die Regierung zum Ausdruck, dass sie die Religionsgemeinschaften nicht in das Private abdrängen will. Die Distanz zwischen Staat und Religionsgemeinschaften ist in einigen Bereichen mit den neuen Verträgen womöglich größer geworden, von einer strikten Trennung kann man aber mit Blick auf die neuen Verträge nicht sprechen.
Es ist auch fraglich, ob die strikte Trennung von Staat und Kirche überhaupt ein sinnvolles Modell ist, solange Art. 17 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union festschreibt, dass die Union mit den Kirchen und Religionsgemeinschaften – in Anerkennung ihrer Identität und ihres besonderen Beitrags – einen offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog führen solle. Ich meine, dass dieser Dialog nicht nur auf europäischer Ebene geboten ist, sondern auch in Luxemburg anlässlich der Neuverhandlungen der Verträge mit den Religionsgemeinschaften in wesentlichen Punkten gelungen ist und auch künftig weitergeführt werden sollte, denn es gibt noch weitere Verflechtungen des Staates und der Religionsgemeinschaften, über die es sich lohnen könnte, gemeinsam nachzudenken: z.B. über das kirchliche Selbstbestimmungsrecht und die Organisationsfreiheit der Religionsgemeinschaften.
Dass Staat und Regierung mehr Distanz zu den Religionsgemeinschaften suchen, ist verständlich und dient letztendlich ihrer Freiheit und auch der gebotenen Neutralität gegenüber allen Religionsgemeinschaften.
Dass die Religionsgemeinschaften dadurch aber auch unabhängiger und freier gegenüber dem Staat werden, ist eine Entwicklung, die man nicht nur bedenken, sondern die man auch gestalten sollte.
Volker Strauss
Titularpfarrer der Protestantischen Kirche von Luxemburg
Quelle: kierchen.lu