
Wer wartet schon gern – auf den Ehemann, die Tochter, den Bus, oder im Wartesaal? Zeit ist Geld! Wenn andere uns warten lassen, empfinden wir das nicht manchmal als Zeichen der Respektlosigkeit von Herrn (Frau) Wichtig, der seine Zeit für wertvoller einschätzt als unsere? Die Gefühle und das innere Kino, die unser Warten begleiten, sind oft Ausdruck vom „Innenleben“ der Beziehung.
„Warten“, das ist eines der Themen des Evangeliums vom zweiten Ostersonntag. Am Abend des ersten Tages der Woche nach dem Tod von ihrem Freund und Meister, so schreibt der Evangelist Johannes, hatten sich die Jünger Jesu aus Frucht vor Verfolgung eingeschlossen und ... sie warteten ... worauf ... auf wen? Mit etwas Einfühlungsvermögen können sich die Betrachter dieser Verse vorstellen, wie sehr der Jünger Herz und Verstand mit den traumatischen Ereignissen der letzten Tage beschäftigt waren. Rückwirkend machten ihnen sicher auch ihr erbärmliches Verhalten im Ölgarten sowie die vielen Fragen und Ängste um die gemeinsame und persönliche Zukunft schwer zu schaffen.
Das Evangelium zeigt, wie sehr Warten manchmal zum inneren Kampf zwischen Glauben und Verstand, Zweifel und Hoffnung, einsamer Leere und gemeinsamer Erfüllung werden kann, eine Gratwanderung, die alle Betroffenen (zu allen Zeiten) eigens erfahren.
Jesus (so erzählt der Evangelist) trat in ihre Mitte und gab sich zu erkennen – mit seinen Wunden, den Zeichen seiner Verletzlichkeit! „Da freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen.“ Thomas war nicht dabei, als Jesus ihnen erschien.
Als er bei seiner Rückkehr die gewandelte Atmosphäre seiner Leidgenossen erlebte, hat er sicher gestaunt. Sie erzählten ihm froh und begeistert von ihrer Begegnung mit dem Auferstandenen, als habe es den Karfreitag nie gegeben. Thomas – jedoch – blieb „draußen“, allein mit und in seinen Zweifeln. Die erlösende Begegnung war ihm noch nicht gegönnt. Er musste warten, diese einsamen Zweifel aushalten.
Der Auferstandene, so heißt es weiter, hatte zwar die impulsiven Worte des Thomas gehört „wenn ich nicht meinen Finger ... meine Hand in seine Wunden legen kann, dann glaube ich nicht!“ und ließ ihn trotzdem warten. Er mutete Thomas sowohl die Freude der anderen wie auch die schmerzhafte Erfahrung der einsamen Ungewissheit zu – und dies während einer ganzen Woche! Warum?
Die nachfolgenden Verse zeigen, wie sehr Glaube die persönliche Suche und das Zeugnis der Gemeinschaft braucht, aber beides dennoch nicht ausreicht, ist doch der christliche Glaube „eine Beziehung mit Jemandem, mit Dem wir gern zusammen sind und von dem wir wissen, dass Er uns liebt“ [1]. Den Schlüssel zu dieser Tür aber hat ER.
Im Lebens- und Glaubensweg des heute oft genannten „ungläubigen“ Thomas wurde das geduldige Ausharren zur Kehrtwende. Erst im Rückspiegel erkannte er, wie sehr das Warten sein erschüttertes Herz geprüft, die Sehnsucht vertieft und ihn auf diese einzigartige Begegnung vorbereitet hatte. „Mein Herr und mein Gott!“
Schlummert der ungläubige Thomas nicht in uns allen, wenn Gesundheit, Familie, Beruf, Politik uns spüren lassen, dass wir wohl „Verwalter“ aber nicht „Besitzer“ unseres Lebens sind? Thomas' Erfahrung lehrt die pädagogische Strategie des Auferstandenen und ermutigt uns zum Vertrauen in den „Warteschleifen“ des Lebens.
[1] Autobiographie von Teresia von Avila (1515 – 1582)