
Ansteckend – da denkt man an Schnupfen, an einen Magen-Darm-Virus oder Windpocken, vielleicht auch an ein fröhliches Lachen. Aber an Glauben? Doch genau darauf käme es an, schreibt Andrea Schwarz in ihrem Buch über Pfingsten und den Heiligen Geist.
Sie ist jedoch weit davon entfernt, ein Klagelied anzustimmen über eine müde gewordene Kirche, deren Glauben nicht mehr ansteckend wirkt. Viel lieber zeigt sie, wo und wie die Ansteckungskraft des Heiligen Geistes zu entdecken ist. Wer ihre Bücher kennt, weiß, dass sie dazu kein theologisches Grundsatzreferat hält, sondern aus dem Leben gegriffene Geschichten erzählt über Freiheit und Entscheidung, über Berufung und Begeisterung, über den Winter, in dem sich unsere Kirche vielleicht gerade befindet, und die ersten zarten Triebe, die auf ein Ende des Winters hindeuten. Sie nennt die selbstverständliche Mitarbeit von Laien, die z.B. Gottesdienste leiten und Beerdigungen, oder Gemeinden, die leben, obwohl kein Priester mehr vor Ort wohnt.
Den Heiligen Geist beschreibt sie als guten Freund, „der uns nahe ist, der uns den Rücken freihält, dem wir uns zumuten dürfen. Der Freund, der uns zärtlich tröstet, wenn wir traurig sind, und der uns kraftvoll in den Wind stellt, wenn wir aufgerüttelt werden müssen.“ Dafür beruft sie sich auf einen Ausspruch Jesu, den das Johannesevangelium überliefert: „Ich nenne euch nicht mehr Knechte – euch habe ich Freunde genannt!“ Die Christen arbeiten deshalb nicht für Gott, betont Schwarz, Gott bietet ihnen vielmehr seine Freundschaft an. Dabei handele es sich beileibe nicht um eine Schönwetterfreundschaft, sondern um eine Begleitung durch die Höhen und Tiefen des Lebens.
Auch wenn Andrea Schwarz nicht über den Zustand des Glaubens klagt, kennt sie doch die Gefahren, die dem Glauben drohen. Das wird an ihrer Interpretation des Gleichnisses von den Talenten (Mt 25, 13-30) sichtbar. Für sie steht das Vermögen, das der reiche Mann seinen Dienern anvertraut, für den Glauben, den Gott einem jeden Christen anvertraut. Manche Christen arbeiten damit ihren Fähigkeiten entsprechend, andere dagegen vergraben ihn, aus Bequemlichkeit vielleicht oder aus Mangel an Selbstvertrauen.
Das Buch ist ein deutlicher und ermutigender Einspruch gegen das Vergraben. Gott fordert heraus, aber er fordert nicht zu viel, betont Schwarz. Gott will entwickeln, was an Fähigkeiten in uns angelegt ist, was uns weiterbringt. Das Reich Gottes fängt an, „immer dann und immer dort, wo Menschen das leben, was Gott in sie hineingelegt hat. Das ist Berufung und beschränkt sich nicht auf Ordensleute und Priester – sondern damit sind wir, bin ich, jeder Einzelne von uns gefragt.“
Andrea Schwarz‘ Gedanken verändern den Blickwinkel auf die Welt, die Kirche und das eigene Tun. Sie sind ansteckend, weil sie zum Über- und Weiterdenken anregen, auch zum Träumen und Pläneschmieden. Und sie machen Mut, mehr (Gott-) Vertrauen zu wagen.
Als „Religiöses Buch des Monats“ benennen der Borromäusverein, Bonn, und der St. Michaelsbund, München, monatlich eine religiöse Literaturempfehlung, die inhaltlich-literarisch orientiert ist und auf den wachsenden Sinnhunger unserer Zeit antwortet.
Andrea Schwarz: Windhauch, Feueratem. Eigentlich ist Pfingsten ganz anders.
Freiburg: Herder 2014. – 141 Seiten