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Channel: Service Kommunikatioun a Press - Bistum Lëtzebuerg
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Esther Maria Maggis: Gott braucht dich nicht.

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Es gibt nicht mehr viele echte Tabus in unserer Gesellschaft, man kann heute Bücher über alles mögliche schreiben, ohne an irgendwelche Schamgrenzen zu stoßen – mit einer Ausnahme allerdings. Spricht jemand über seinen religiösen Glauben - nicht über Gott im allgemeinen, sondern über seine eigene, ganz persönliche Beziehung zu Gott -, dann wird das von den allermeisten doch als irgendwie peinlich empfunden. Esther Maria Magnis kümmert sich keinen Deut darum, sie hat ein Buch geschrieben, das die Geschichte ihres Glaubens erzählt, ihre ganz persönliche existenzielle Geschichte mit Gott – und dieses Buch ist kein bisschen peinlich, ganz im Gegenteil (wovon man sich als Leser etwas peinlich berührt fühlen könnte, ist höchstens die Tatsache, dass man sich selbst ein solches Buch eben nicht zu schreiben getraut hätte).

Aufgewachsen ist die Autorin in einer liebevollen, christlich geprägten, aber religiös nicht besonders engagierten Familie. Als Jugendliche entfernt sie sich langsam immer mehr vom unreflektierten Glauben ihrer Kindheit, ihr genügen oberflächliche Antworten nicht mehr, weder in der Kirche noch in Gesprächen mit vermeintlich wissenschaftlich denkenden Atheisten. Als sie 15 Jahre alt ist, erfährt die Familie von der unheilbaren Krebserkrankung des Vaters. In dieser Zeit entdeckt Esther ganz neu die Kraft des Gebets, zusammen mit ihren Geschwistern betet sie inständig um das Leben ihres Vaters.

Dass der Vater nach eineinhalb Jahren dennoch stirbt, stürzt sie in tiefe Verzweiflung, die bald zu einer allgemeinen Sinnkrise wird. Nach einem quälenden Jahr voller Zweifel an allem und jedem beschließt sie schließlich, müde geworden, die Sinnlosigkeit des Lebens einfach hinzunehmen. Einige Jahre später kommt die Wende. Nicht durch ein spektakuläres Ereignis, aber immer mehr drängt sich ihr mit einer unwiderstehlichen Macht ins Bewusstsein, dass es doch trotz allem Schmerz und Leid Wahrheit, Schönheit und Liebe wirklich gibt, dass das alles keine Illusion ist, sondern eine allem vorausliegende und deshalb unerklärbare Wirklichkeit, Gott. Und in nüchterner logischer Konsequenz sieht sie, dass sie sich zu dieser Tatsache irgendwie verhalten muss.

Das alles wird jedoch noch einmal radikal in Frage gestellt, als Esthers jüngerer Bruder Johannes an Krebs erkrankt. Nach relativ kurzem Auf und Ab geht es unweigerlich dem Tod entgegen – und nun ist es gerade Johannes, der in seinen letzten Monaten in einer derartigen Tiefe zu Gott findet, dass dadurch auch Esther ihren Glauben nicht mehr verliert.

Ganz selten nur gehen Autoren (in einem nicht fiktiven Buch) derart aufs Ganze wie Esther Maria Magnis – aber wie denn auch nicht, geht es doch in ihrem Buch um nichts weniger als die Gottesfrage, und die stellt sich, der stellt sich die Autorin wirklich radikal, in ihrem Schreiben ebenso wie zuvor in ihrem Leben. Sie lotet mit ihrem Text die ganze Tiefe und den ganzen Ernst dessen aus, was es heißt, an Gott zu glauben – dass es hier wirklich um alles oder nichts geht, um die Unausweichlichkeit der Freiheit, um das Erschauern vor der Größe und der Stille Gottes, um die Unbegreiflichkeit seiner Liebe zu den Menschen.

Um diese Erfahrung zu vermitteln, zieht Esther Maria Magnis alle Register, die ihr die Sprache zur Verfügung stellt, und sie spart auch nicht an sarkastischer Kritik an dem mangelnden Ernst all jener, welche die Gottesfrage für überflüssig halten oder sie kleinreden wollen, seien es nun Atheisten, die lächelnd versichern zu wissen, dass der Mensch nur ein hochentwickeltes Tier und mit dem Tode alles aus sei, oder auch die hoffnungslos misslingenden Versuche „zeitgemäßer“ Formen von Religiosität, die Ansprüche des Glaubens an Gott, an Jesus als Gottessohn, auf ein allgemein verträgliches Normalmaß zu reduzieren.

Ein wirklich ganz erstaunliches Buch, es wird wohl kaum eine Leserin oder einen Leser geben, die sich durch dessen Lektüre nicht in irgendeiner Weise beeindrucken lassen.

Magnis, Esther Maria: Gott braucht dich nicht. Eine Bekehrung.
Reinbek : Rowohlt Verlag, 2012. – 238 S.

Als „Religiöses Buch des Monats“ benennen der Borromäusverein, Bonn, und der Sankt Michaelsbund, München, monatlich eine religiöse Literaturempfehlung, die inhaltlich-literarisch orientiert ist und auf den wachsenden Sinnhunger unserer Zeit antwortet.


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